15. März 2019 Thema: Blog Von Sven Bortlisch
<![CDATA[Wieder einmal gibt es nach den Anmeldungen an den Gesamtschulen in NRW eine größere Nachfrage nach den begehrten Plätzen, als sie von den Kommunen zur Verfügung gestellt werden. Dies ist nicht verwunderlich, da die Gesamtschule als Schulform des „längeren gemeinsamen Lernens“ schon seit vielen Jahren bei den Eltern beliebt ist.
Immer wieder betonen die Eltern den Vorteil, dass für ihre Kinder die Weichen für das spätere Leben erst im jugendlichen Alter gestellt werden und nicht wie im dreigliedrigen System schon nach der vierten Klasse.
Eigentlich gilt in markwirtschaftlich-liberalen Gesellschaften der Grundsatz, dass jeder Mensch durch seine eigene Kraft und durch sein eigenes Talent den für ihn bestmöglichen Abschluss erreichen kann. Leider ist diese These in Deutschland oft wissenschaftlich widerlegt worden, denn in kaum einem Land der Welt ist die soziale Herkunft über die langfristige Entwicklung des Lebens (oder der Schullaufbahn) so prägend wie in Deutschland. Einen besonderen Bruch stellt der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule dar. Auffallend ist, dass insbesondere Kinder sozial benachteiligter Herkunft seltener ein Abitur absolvieren als Kinder aus mittleren oder höheren Schichten. Wissenschaftliche Studien belegen, dass ein Kind eines Hochschulprofessors/einer Hochschulprofessorin bei gleicher kognitiver Intelligenz eine viermal höhere Chance hat, das Gymnasium zu besuchen, als das Kind eines Hausmeisters. Deutlich verstärkt wird dieser Prozess, wenn Kinder aus stark von Segregation, also der räumlichen Trennung sozialer Gruppen, geprägten Stadtteilen kommen oder wenn sie aus Familien stammen, in denen nur ein Erziehungsberechtigter die Verantwortung trägt.
Die Folge hieraus muss sein, dass Schulen einem Sozialindex folgend besonders in problematischen Stadtteilen eine deutlich bessere Unterstützung in finanzieller und personeller Hinsicht benötigen. Ungleiches muss auch ungleich behandelt werden.
Die hohe Nachfrage an Gesamtschulen zeigt, dass die Eltern ihr Kind hier gut aufgehoben sehen. In integrierten Schulformen werden die Weichen deutlich später gestellt – und das zu Recht! Oft haben zwischen 60 und 70 Prozent der erfolgreichen Abiturient*innen in der 4. Klasse KEINE Gymnasialempfehlung. Ihnen traute man als Kind also nicht zu, den höchsten Schulabschluss zu bewältigen. Die schulischen Entwicklungswege werden an den Gesamtschulen so lange wie möglich offen gehalten, so dass versucht wird, den für das Kind besten Schulabschluss herbeizuführen. Eine Abschulung nach der Schuleingangsphase gibt es nicht, so dass alle Kinder, die in der 5. Klasse aufgenommen werden, auch bis zu einem Abschluss geführt werden.
An dieser Stelle krankt das dreigliedrige Schulsystem: Gerade nach der 6. und 7. Klasse sind Schülerströme von den Realschulen und Gymnasien zu beobachten.
Aufnehmende Schulform, sofern noch vorhanden, sind die Hauptschulen. An den Gesamtschulen sind auch zu diesem Zeitpunkt keine Plätze vorhanden.
Diese Tendenz ist auch in Mülheim zu beobachten: Gerade nach der Schuleingangsphase stehen die Telefone an den drei Gesamtschulen nicht still. Unzählige Eltern versuchen für ihre Kinder noch einen Platz zu bekommen; leider in der Regel vergeblich, da die Gesamtschulen bis auf den letzten Platz belegt sind.
Im Anmeldeverfahren 2019 erreichten die Gesamtschulen in Mülheim bereits ihre Kapazitätsgrenzen. Alle Kinder, die einen Gesamtschulplatz belegen wollten, sind auch berücksichtigt worden. Dies wurde letztlich durch ein Austauschverfahren zwischen den drei Gesamtschulen gewährleistet. Einschränkend sei hier erwähnt, dass nicht immer der einzelne Schulwunsch erfüllt werden konnte.
Neben allen oben erwähnten Punkten und insbesondere auf Grund der Rückführung zum Abitur nach neun Jahren sind die Anmeldezahlen in NRW, aber auch besonders in Mülheim, an den Gesamtschulen gestiegen.
Auch in diesem Punkt erkannten viele Eltern in den letzten Jahren einen Vorteil an den Gesamtschulen in Mülheim, da hier der Weg zum Abitur immer schon 9 Jahre betrug. In der aktuellen politischen Diskussion sahen diesbezüglich die Fachleute schon einen „Anmeldenachteil“ für die Gesamtschulen in Konkurrenz zu den Gymnasien. Dies hat sich in der aktuellen Anmeldesituation in Mülheim nicht bestätigt. Gesamtschulen sind stärker nachgefragt als in den Jahren zuvor.
Vor dem Hintergrund steigender Schülerzahlen ist in den kommenden Jahren damit zu rechnen, dass die Plätze an den drei Gesamtschulen in Mülheim nicht reichen werden. Aus diesem Grund besteht Handlungsbedarf!
Die SPD in Mülheim setzt sich für weitere Gesamtschulplätze im Stadtgebiet ein. Der konkreten Ausgestaltung dieser Ausweitung muss eine sorgfältige Prüfung vorangehen. Dabei sind mehrere Szenarien denkbar:
Zum einen kommt die Errichtung einer vierten Gesamtschule in Betracht. Steigt die Nachfrage an weiteren Gesamtschulplätzen weiterhin so rapide an, scheint diese Lösung unausweichlich. Zum anderen bestünde die Möglichkeit, eine der bestehenden Gesamtschulen baulich durch weitere Klassen- und vor allem Fachräumen zu erweitern, so dass die Zügigkeit erhöht werden kann.