28. Januar 2016 Thema: Pressemeldungen Von Sven Bortlisch
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In gewisser Weise fühlte ich mich – wenn auch in sehr radikaler Form – an die täglichen Herausforderungen der Kommunalpolitik erinnert. Zwar ver- suchen wir, möglichst alle Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen, dennoch wird es leider immer wieder Situationen und Einzelfälle geben, wo uns das Mitnehmen nicht gelingt.
Das Zitat steht ebenfalls für die Kompromissbereitschaft, die in vielen Lebenslagen erforderlich ist und lässt sich auf viele Bereiche anwenden: In der stets aktuellen Flüchtlingsthematik spielt es beispielsweise auf die Diskussionen um die Aufnahme, Unterbringung und Integration der ankommenden Menschen an.
Heute, bei der Entscheidung zum Etat, lässt es sich auf das Ausblenden von Einzelinteressen zum Wohle unserer Stadt anwenden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ein Zitat aus einer fiktionalen Fernsehserie erinnert uns daran, dass wir den Blick viel öfter auf das große Ganze richten müssen und weniger auf uns und manche auch auf ihre Parteipolitik.
Ein großes Ganzes, dass – wie ich es in jedem Jahr betonen muss – deutlich positiver ausschaut, als es uns viele Miesmacher und die ewigen Pessimisten weismachen wollen. Deshalb nutze ich auch in diesem Jahr die Gelegenheit, um auf die erfolgreichen Projekte der vergangenen 365 Tage zu schauen. Projekte, die erneut praktisch zeigen, dass auch eine schwierige Haushaltslage kein Grund zur Kapitulation, sondern ein Anreiz zur Findung von Ideen und Lösungen ist.
Der Weg, um sich das Erreichte vor Augen führen zu können, ist dabei auch für diejenigen zu meistern, die gerne fest auf ihrem Standpunkt beharren: Schon hinter den Fenstern dieses Saales zeigt sich der fast fertig- gestellte zweite Bauabschnitt des Stadtentwicklungsprojektes Ruhrbania. Die vielfältigen Gastronomie- und Dienstleistungsflächen sind noch nicht bezogen, dennoch ist jetzt schon sicher, dass sie in diesem Jahr mit Leben gefüllt werden. Für diese Behauptung muss man kein Hellseher sein, hat uns doch der letzte Sommer deutlich gemacht, wie groß das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an der neugestalteten Ruhrpromenade ist. Zusätzliche gastronomische Angebote werden hier sicherlich nicht kontraproduktiv wirken.
Ein weiteres Projekt liegt uns quasi zu Füßen: Die Umgestaltung des Rat- hausmarktes hat im letzten Jahr begonnen und wird dafür sorgen, dass dieser zentrale Platz wieder den Stellenwert bekommt, den er verdient.
Und auch das Gelände des ehemaligen Kaufhofs hat in diesem Jahr eine neue Zukunftsperspektive gefunden, die bereits Jahre vor der Fertigstel- lung des neuen Stadtquartiers positive Impulse in Richtung Innenstadt sendet. Hier entstehen außerdem weitere neue Möglichkeiten, die wir für die Weiterentwicklung unserer Innenstadt nutzen sollten.
Das Jahr 2015 war außerdem für unsere Stadt das Jahr, in dem wir Teil einer Idee geworden sind, die auch in der internationalen Presse Beachtung gefunden hat: Der erste Abschnitt – zwischen der Essen/Mülheimer Stadt- grenze und unserem Hauptbahnhof – des in Deutschland einmaligen Radschnellwegs wurde eröffnet und wird von der Bevölkerung begeistert angenommen.
Dieses neue Mobilitätskonzept schlägt die Brücke von der Gegenwart in die Zukunft, wird es doch am Hauptbahnhof nicht sein Ende finden.
Mit den positiv entschiedenen Förderbescheiden wissen wir heute schon sicher, dass der Radschnellweg in Kürze die Ruhr erreichen und mit der Promenade auf der ehemaligen Hochbahntrasse der Rheinischen Bahn ei- ne neue Möglichkeit bieten wird, unsere schöne Stadt aus neuer Perspek- tive zu entdecken. Auch die Anbindung des neuen Campus der Hochschule Ruhr West, der in diesem Jahr eröffnet wird, ist nur eine Frage der Zeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich behaupte, selbstbewusst sagen zu können, dass uns andere Städte um unsere Zielstrebigkeit im Bereich der Stadtentwicklung beneiden. Dennoch, trotz der vielen bisherigen Erfolge, warten auf uns noch eine Vielzahl neuer und alter Herausforderungen, zum Beispiel die vielen Möglichkeiten die uns die Ruhrbania-Baufelder 3 und 4 bieten und vor allem die Frage, wie können wir weitere Anreize schaffen, um die Attraktivität der Innenstadt zu erhöhen? Oder, nutzen wir jede neue Möglichkeit, die sich uns bietet?
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich bedauere sehr, dass in den letzten Wochen des vergangenen Jahres die Weiterentwicklung der gemeinsam mit Essen und Duisburg gegründeten Verkehrsgesellschaft VIA GmbH in eine bedrohliche Schieflage geraten ist. Die SPD-Fraktion fordert von allen drei Gesellschaftern, auf Grundlage des „Deloitte-Gutachtens“ ein Lösungskonzept zur Erreichung der bei der Gründung entwickelten Ziele zu erstellen.
Dabei legen wir folgende Prioritäten fest:
In der jetzigen Lage ergibt sich allerdings die Chance, beispielsweise eine praxisnahe Zusammenarbeit mit den Oberhausener Stadtwerken ins Auge zu fassen. Es kann nicht sein, dass das westliche Ruhrgebiet dem Vorbild Bochums und Gelsenkirchens nicht folgen und im Bereich des Nahverkehrs keine ergiebige Zusammenarbeit etablieren kann. Nur auf diesem Weg ließe sich das enorme Defizit der MVG reduzieren. Dafür ist allerdings an vielen Stellen – und nicht ausschließlich bei der Belegschaft – eine er- höhte Kompromissbereitschaft notwendig.
Die Weiterentwicklung der VIA GmbH muss höchste Priorität haben und in diesem Jahr endlich erfolgreich angepackt werden.
In einem anderen Bereich der Fortbewegung, dem Schwimmsport, gilt es zu klären, wie es mit dem Friedrich-Wennmann-Bad weitergeht und was aus dem Leitbildprojekt des Schwimmbades Linksruhr wird. Es ist unbe- stritten, dass ein Neubau am Standort Heißen wirtschaftlicher als die stetige Sanierung des bestehenden Bades ist. Doch auch hier ist – wie so oft – die Finanzierungsfrage noch offen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir müssen uns dringend einem Thema zuwenden, das von fast allen politischen Akteuren in den letzten Jahren massiv verdrängt wurde, nämlich die Schaffung von öffentlich finanziertem Wohnraum, sowohl für Einheimische als auch für Flüchtlinge. Das Land NRW hatte unlängst angekündigt, dass der soziale Wohnungsbau angekurbelt werden soll, um 50.000 neue
Wohnungen zu schaffen. Unsere Auffassung hierzu ist, dass die Stadt möglichst viel Bauland mobilisiert und alle Möglichkeiten nutzt, für eine Teilnahme an Förderprogrammen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum durch Umbau oder Neubau.
Es gilt, unter anderem als Ergänzung zum erfolgreichen 100-Häuser-Programm, Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten zu schaffen. Gerade die veränderten Prognosen im Bereich der Bevölkerungsentwicklung, die nun erfreulicherweise einen Anstieg der Mülheimer Einwohnerzahl möglich erscheinen lassen, machen diesen Schritt notwendig.
Diese positive Entwicklung ist ein erneuter Beweis für die Attraktivität unserer Stadt. Allerdings sind selbstverständlich auch die veränderten Flüchtlingsströme ein Faktor, der hier berücksichtigt werden muss.
Die Schaffung geeigneten Wohnraums auch für all diejenigen, für die Mülheim an der Ruhr dauerhaft neue Heimat wird, gehört zu einem substantiellen Bestandteil erfolgreicher Flüchtlingspolitik. Und gerade unsere Stadt zeigte sich in diesem Bereich bisher äußerst beispielhaft.
Was die vielen freiwilligen Unterstützer, die ehrenamtlichen Helfer, die Hilfsorganisationen, Kirchen, Vereine und Verbände und auch die Verwal- tung, insbesondere die Mitarbeiter im Sozialamt und dem Immo-Service in den letzten Monaten auf die Beine gestellt haben, kann nicht oft genug gelobt und mit Dank bedacht werden. Die Mülheimer Bürgerinnen und Bürger haben gezeigt, welche persönlichen Leistungen erbracht werden können, um hilfsbedürftigen Menschen, die teilweise unter traumatischen Erlebnis- sen leiden, wieder ein sicheres Leben zu ermöglichen. Umso stärker sind all diejenigen zu verurteilen, egal aus welchem Kulturkreis sie kommen, die dieses Engagement durch ihre Taten ausnutzen oder schmälern.
Ein weiterer entscheidender Aspekt erfolgreicher Flüchtlingspolitik ist die Integration in die Gesellschaft. Diese zeigt sich vielfältig und besteht auch darin – manche der hier Anwesenden mögen es nicht wahrhaben wollen – als deutscher Staatsbürger offen auf die Menschen anderer Kulturen zuzugehen.
Erfolgreiche Integrationspolitik kann allerdings nur gewährleistet werden, wenn die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen vorhanden sind.
Meine Damen und Herren,
an diesem Punkt muss ich jedoch daran erinnern, dass die Etablierung einer fairen Kommunalfinanzierung notwendiger denn je ist.
Der heute zur Beschlussfassung vorliegende Haushalt für 2016 weist ein Defizit von rund 67 Mio. € aus. Zum bisher prognostizierten Jahresergebnis 2015 von fast 80 Mio. € ist dies immerhin eine Verbesserung von rund 13 Mio. €.
Wir sind auf dem richtigen Weg und die Haushaltskonsolidierung zeigt Wir- kung. Gleichwohl ist unsere Verschuldung besorgniserregend. Die „Gesamtverschuldung“ – inklusiv der Beteiligungen – liegt bei rund 1,8 Mrd. €. Den größten Posten stellen davon die Kassenkredite mit rund 927 Mio. €. Darin liegt eine enorme Explosionsgefahr, sobald die Zinsen wieder ansteigen.
Unser Verschuldungstempo ist in der Regel höher als in den sogenannten Stärkungspaktkommunen, zu den Mülheim an der Ruhr laut gutachterlichen Aussagen der Prof. Junkernheinrich und Lenk auch gehören müsste, aber leider aus den hinreichend bekannten Gründen nicht berücksichtigt wurde.
Insbesondere durch erhebliche Millionenbeträge aus dem Stärkungspakt gelingt es diesen Kommunen das Volumen der Kassenkredite zu reduzie- ren und / oder ausgeglichene Haushalte vorzulegen.
Dies ist im Hinblick auf unsere Situation eine massive Ungleichbehandlung, die unbedingt behoben werden muss. Ich fordere daher die Landesregierung auf, eine 3. Stufe des Stärkungspakts zu schaffen an der auch Mül- heim teilnehmen muss!
Im Vergleich zu vielen Ruhrgebietskommunen haben wir
Da wo es notwendig und möglich ist, müssen wir in der Haushaltskonsoli- dierung nacharbeiten. Daher ist es richtig und wichtig, dass wir
Ich bin davon überzeugt, dass es uns in einem sogenannten „Drei-Klang“ mit verstärkter Bundes- und Landeshilfe sowie unter weiterer Eigenkonsoli- dierung gelingen kann, einen nachhaltigen Haushaltsausgleich zu erreichen.
Dies gelingt allerdings nicht, wenn wir weiter gesamtstaatliche Aufgaben übernehmen müssen, ohne vollständige Refinanzierung durch Bund und Land.
Prominentestes Beispiel dafür ist derzeit die Unterbringung, Betreuung und Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Die Vorgehensweise von Bund und Land sind in diesem Fall exemplarisch für viele vergleichbare Fälle bzw. Entscheidungen aus der Vergangenheit (z.B. der Ausbau in der Kinderbetreuung, die Kosten der Unterkunft, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung).
Richtig ist, dass wir mit aller Kraft und hohem Engagement
In der Flüchtlingsunterbringung und –betreuung hat Mülheim an der Ruhr, wie bereits erwähnt, bisher Hervorragendes und Vorbildliches geleistet. Dies ist mehrfach über zahlreiche Medienberichte deutlich geworden und gilt nicht nur für die nachhaltige und wirtschaftliche Unterbringung in Holz- häusern.
Falsch und nicht zu akzeptieren ist, dass dies nach wie vor zu Lasten der kommunalen Haushalte geschieht.
Bund und Land haben in den letzten Monaten im Hinblick auf die Refinan- zierung der Kosten einiges bewegt. Die Einigung der Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden ist ein richtiger Schritt.
Allerdings reicht dieser Schritt nicht aus!
Eine vollständige Kostendeckung ist noch weit entfernt. Entstandene und zukünftige Deckungslücken erhöhen das jährliche Defizit und die Verschul- dung sowie das Verschuldungstempo.
Laut Quartalsbericht des Kämmerers zum 30.09. weisen wir für diesen Aufgabenbereich in 2015 ein zusätzliches Defizit von 8,3 Mio. € aus. Für 2016 liegen wir in der Planung bei einer Unterdeckung von rd. 20 Mio. €. Es besteht dringend Nachsteuerungsbedarf, der durch die Revisionsklau- sel in der Einigungsvereinbarung für 2016 möglich ist.
Die Pauschale pro Flüchtling muss schon für 2016 wesentlich erhöht und für jede tatsächlich der Kommunen zugewiesene Person gezahlt werden.
Es muss schnell gehandelt werden, bevor die Ziele der Haushaltskonsoli- dierung nicht erreicht werden können und die Aufsichtsbehörde zusätzliche Steuererhöhungen oder Leistungskürzungen einfordert.
Unser Appell an die Landesregierung ist:
„Lassen Sie diesen gesellschaftlichen Sprengstoff nicht explodieren und sorgen Sie endlich für eine volle Kostenerstattung“.
Dies gilt auch für die Kosten einer nachhaltigen Integration der Menschen mit Bleibeperspektive.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
eine Unterstützung aus Düsseldorf, auf die ich aber auch 2016 liebend gerne verzichten möchte, ist die eines Sparkommissars, der standardisierte Entscheidungen trifft die nicht zu den Anforderungen unserer Stadt passen. Viele der in Arbeit befindlichen Projekte, die für eine gedeihliche Stadtentwicklung in den nächsten Monaten und Jahren notwendig sind, wären unter verschärfter Kontrolle nicht mehr denkbar. Aber auch wichtige soziale Leistungen und Einrichtungen, wie beispielsweise das Frauenhaus, können ohne verabschiedeten Etat nicht mehr aufrechterhalten werden. An eine energetische Stadtentwicklung oder nachhaltige Infrastruktur wird nicht mehr zu denken sein. Ideen, die Mülheim zu der attraktiven Stadt am Fluss gemacht haben, die sie jetzt ist, würden unter diesen Voraussetzungen im Keim erstickt werden.
Gebühren- und Steuererhöhungen, die weit über den bisherigen Beschlüs- sen liegen würden, wären die Folge, fände sich am heutigen Tag keine Mehrheit für den vorliegenden Haushaltsentwurf.
Selten war es wichtiger, an das anfangs erwähnte Wohl der Vielen – in die- sem konkreten Fall dem der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt – zu denken und sowohl persönliche als auch parteipolitische sowie ideologi- sche Animositäten zurückzustellen.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren,
die SPD-Fraktion wird dem vorliegenden Entwurf der Haushaltssatzung mit Haushaltsplan, den Anlagen und dem HSK für das Haushaltsjahr 2016 zustimmen.
Im gleichen Atemzug bitte ich alle anwesenden Stadtverordneten, durch positive Beschlussfassung dafür zu sorgen, dass wir in unserer Stadt, wie in vielen anderen Städten im Ruhrgebiet, einen genehmigungsfähigen Haushalt für das Jahr 2016 haben.
Ich möchte mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung und in den städtischen Beteiligungsgesellschaften für ihre engagierte Mitarbeit am Haushaltsplanentwurf danken.
Mein Dank gilt ebenfalls allen Unterstützern während der Haushaltsberatung.
Die SPD-Fraktion bedankt sich bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die das Lebensumfeld, die Leistungen und Angebote der Stadt Mülheim nicht nur genießen, sondern sie als Steuerzahler auch in erheblichem Umfang mitfinanzieren. Wir bedanken uns bei den Gewerbesteuerzahlern – nicht nur für die Gewerbesteuer sondern auch für ihre Leistungen als Arbeitgeber.
Zum Abschluss danke ich Ihnen, dass Sie mir zugehört haben und hoffe, dass Sie das Wohl der Vielen nicht nur als Fantasie in einer utopischen Zukunft sehen mögen.